Rechtstipp 04/2018
Pflichtteilsansprüche und Sozialhilfe
Bezieht eine Person Sozialhilfeleistungen und hat bei einem Erbfall Pflichtteilsansprüche, dann läuft sie Gefahr, dass sich der zuständige Sozialhilfeträger diese Pflichtteilsansprüche per Überleitung holt. Hierbei gibt es eine Spezialität:
§ 852 der Zivilprozessordnung (eine Vorschrift aus dem Bereich der Zwangsvollstreckung) schreibt vor, dass Pflichtteilsansprüche erst dann der Pfändung unterworfen sind, wenn sie durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sind. Interessanterweise gilt diese Einschränkung nach der Rechtsprechung nicht für die Überleitung von Pflichtteilsansprüchen durch Sozialhilfeträger, hier wird einmal ganz eindeutig der Staat vor anderen Gläubigern bevorzugt.
Für Pflichtteilsberechtigte kann diese Rechtssituation misslich sein, denn wer die erwähnte Rechtsprechung nicht kennt und nur den § 852 ZPO im Auge hat, wird sich unter Umständen so lange sicher wähnen, wie die Pflichtteilsansprüche nicht vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden sind.
Ein Aufsatz in einer Fachzeitschrift kommt das Verdienst zu, in diesem Zusammenhang auf Folgendes hingewiesen zu haben:
Der Sozialhilfeträger muss vor Erlass seines sogenannten Überleitungsbescheides sowohl den Hilfeempfänger als auch den oder die Erben anhören (§ 24 Abs. 1 SGB X). Unterbleibt die Anhörung, ist die Überleitung rechtswidrig, Betroffene können mit Erfolg gegen sie vorgehen. Allerdings hilft es einem der Beteiligten nicht, wenn die Anhörung bei dem anderen Teil unterlassen wird, also beispielsweise hilft es dem Pflichtteilsberechtigten nicht, wenn beim Erben nicht angehört wird und umgekehrt.
Aus meiner Sicht ist die gewonnene Rechtserkenntnis für Erben unter Umständen aus folgendem Blickwinkel eine interessante Möglichkeit:
Nicht selten streben Erblasser bei pflichtteilsberechtigten Personen, insbesondere Kindern, einen Pflichtteilsverzicht an, weil die begründete Besorgnis besteht, dass sich Gläubiger und/oder gerade das Sozialamt die Pflichtteilsansprüche holen. Betroffene Pflichtteilsberechtige sind aber in der Praxis oft nicht bereit, ein Pflichtteilsverzicht abzugeben, zumal dieser von Gesetzes wegen notariell beurkundet werden muss. Mit dem Hinweis, dass die Pflichtteilsansprüche bei Überleitung durch das Sozialamt schnell gänzlich oder großen Teils verloren gehen können, dürfte sich so mancher Pflichtteilsverzicht in der Praxis eher realisieren lassen, wobei unter Umständen eine Abfindungsleistung an nicht im Sozialhilfebezug befindliche, nahestehende Personen von Pflichtteilsberechtigten möglich sind.
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